Bildung ist Therapie

Krafttraining bewirkt mehr als „nur“ Muskelaufbau!

Donnerstag, 27. Oktober 2022

Geschrieben von Markus Müller, Physiotherapeut, Manualtherapeut OMT.

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Botenstoffe sind chemische Stoffe, die der Signalübertragung oder chemischen Kommunikation dienen. Andere Bezeichnungen sind Mediator oder Signalstoff. Botenstoffe sind grundlegend wichtig für das Zusammenspiel und die Kommunikation zwischen Zellen und Geweben innerhalb eines Organismus.

Die Botenstoffe des Muskels.

Bewegungsmangel gilt als ein wichtiger Auslöser für diverse, oft chronische Erkrankungen. Ein daraus resultierendes Problem ist die Ansammlung von viszeralem Fett. Denn dieses steht im Verdacht, im Körper entzündliche Reaktionen hervorzurufen oder zumindest zu unterstützen. Die Fetteinlagerungen bilden einen Herd für systemische Entzündungen, der auf niedrigem Niveau lodert. Die Folge: ein ständig existenter Nährboden für Erkrankungen.

Genau an dieser Stelle greift der Wirkmechanismus von Myokinen ein, der Botenstoff des Muskels. Myokine sind hormonähnliche, körpereigene Stoffe, die der Muskel bei erhöhter Muskelaktivität direkt ausschüttet. Myokine werden vermehrt bei intensiver Beanspruchung der Muskulatur ausgeschüttet – insbesondere während eines Krafttrainings. Diese neu entdeckte Stellung der Muskulatur als Sekretionsorgan erscheint daher als so wichtig, da die Skelettmuskulatur das größte Organ des menschlichen Körpers ist.

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Mit der Entdeckung der Myokine sowie deren grundlegenden Kommunikationswegen zwischen Muskulatur und anderen Organen konnten Wissenschaftler Details des lange gesuchten Zusammenhangs zwischen diversen (chronischen) Erkrankungen und dem Mangel an Muskelmasse und Bewegung klären. Beispielsweise wurden Myokine identifiziert, die eine wichtige Rolle in einer Wirkkaskade spielen, welche sich auf das Immunsystem des Menschen auswirkt.

Muskelmasse hat einen komplexen, positiven Einfluss auf unsere Gesundheit.       

Die Zahl der identifizierten Myokine hat seit ihrer ersten Entdeckung stetig zugenommen. Heute sind bereits einige Dutzend Stoffe bekannt, die durch die Aktivierung von Muskelzellen bei Bewegung ausgeschüttet werden. Zu den bisher gut erforschten Myokinen gehören die Interleukine IL-6, IL-8 und IL-15. IL-6 aktiviert beispielsweise das Enzym AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) in der Muskelzelle, welches kurzfristig Engpässe in der Energiebereitstellung während Aktivitäten überbrücken soll. Bei erhöhter Muskelaktivität steigt im Plasma die Konzentration von IL-6 auf das bis zu hundertfache Niveau an. Besonders stark ist die Aktivierung bei konzentrischen Kontraktionen. Die Konzentration steigt dabei nahezu exponentiell mit der Übungsdauer an. Zudem vermuten Forscher, dass IL-6 funktionell in den Stoffwechsel eingreift. Eine Beteiligung an der Insulin-induzierten Glukoseaufnahme konnte bereits gezeigt werden. Des Weiteren gibt es nachweisliche Auswirkungen auf Lipolyse und Fettoxidation in der Skelettmuskulatur. Ebenso nachgewiesen ist eine hemmende Wirkung auf die Produktion von TNF-alpha, einem Zytokin, welches bei Entzündungsreaktionen eine große Rolle spielt. Insgesamt sind die Wirkungen des IL-6 vielfach, komplex und für den Körper positiv. Ähnliche Zusammenhänge spricht man auch anderen Myokinen zu. Zwar wird IL-8 im Gegensatz zum IL-6 nur in geringen Mengen ausgeschüttet und wirkt daher eher lokal. Es beeinflusst aber den Energiestoffwechsel und die Bildung neuer Blutgefäße. IL-15 ist bei Krafttraining eines der in höchster Konzentration auftretenden Myokine in der Skelettmuskulatur. Es hat ebenfalls Effekte auf den Stoffwechsel und wird mit der Reduktion von Fettgewebe und der Lipolyse in Verbindung gebracht.

Krafttraining wirkt entzündungshemmend

Der Zusammenhang zwischen Kräftigung, der Ausschüttung von Myokinen und den daraus resultierenden positiven Effekten ist offensichtlich. Viele Myokine sind an der Wirkkaskade für den Fettabbau beteiligt und fungieren als Entzündungshemmer. Vielen Erkrankungen wird durch die Myokine die Grundlage entzogen – nämlich die Existenz des viszeralen Fettes. Eine Erhöhung der Muskelmasse reduziert also stark systemische Entzündungswerte und hat damit einen signifikanten Einfluss auf diverse chronische Erkrankungen. Speziell diskutieren Wissenschaftler hier Erkrankungen wie Diabetes, Arteriosklerose, neurodegenerative Erkrankungen (Alzheimer, Demenz) und Krebs. Patienten können allein durch ein Mehr an Muskelmasse und an Bewegung und die durch die Myokine in Gang gesetzte Kaskade ihren Gesundheitszustand verbessern.

Der Aufbau von Muskelmasse als indirektes Werkzeug des Therapeuten

Unsere Therapeuten und Gesundheitstrainer wissen über diese Effekte und nutzen dieses Wissen für die Beratung und das Training der Patienten. Eine erhöhte Muskelaktivität verstärkt die Ausschüttung von Myokinen, hat Einfluss auf entzündliche Vorgänge im Körper und damit auf verschiedene Schmerzprobleme, Symptome und Krankheiten. Dieser Zusammenhang bietet eine verständliche Erklärung für die Grunderkrankung „Verlust an Muskelmasse“ und „Bewegungsmangel“.

Gesundheit braucht Training! Dieser Grundsatz muss verstanden werden.

Training bewirkt viel mehr ist als der reine Muskelaufbau und das Herz-Kreislauf-Training. Es besteht eine weitere, äußerst gesundheitswirksame Ebene.

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