Grundsätzliche Ideen zum Thema Schmerz.
Geschrieben von: Markus Müller, Physiotherapeut, Manualtherapeut OMT
Zwei theoretische Rahmenkonzepte der Schmerzneurophysiologie.
1. Das biopsychosoziale Model von Schmerz
Das biopsychosoziale Model kategorisiert die möglichen Einflüsse auf den Schmerz in diejenigen die im biologischen Bereich, im psychologischen Bereich und im sozialen Bereich auftreten.
Biologisch Mitwirkende sind körperliche Ereignisse, die Gefahrenmelder aktivieren oder Gewebezustände außerhalb des sicheren Gleichgewichts auslösen.
Psychologisch Mitwirkende sind die Dinge, die wir denken, sagen, glauben, vorhersagen, fühlen und tun.
Sozial Faktoren beziehen sich auf Interaktionen mit anderen und auf die Rolle, die eine Person in seiner sozialen Welt spielt.
Der wahre Gesundheitszustand einer Person kann durch die Überschneidung dieser drei Kategorien erfasst werden.
Das biopsychosoziale Model ist nicht neu!!!
Hier zwei „Zitate“ von Herrn Engel
„Die Fähigkeit Krankheit als eine vom Menschen getrennte Einheit zu betrachten, die durch eine identifizierbare Substanz verursacht wird, hat offenbar eine große Anziehungskraft auf den menschlichen Geist. Vielleicht spiegelt das Fortbestehen solcher Ansichten in der Medizin die Funktionsweise psychologischer Prozesse wieder, um den Arzt (Therapeuten) vor den emotionalen Auswirkungen des Themas zu schützen, mit dem er sich befasst.“
„Patienten ziehen es vor Krankheit als etwas zu betrachten, das ihnen passiert ist“.
Wichtig!
Das biopsychosoziale Model lehnt das biomedizinische Model ab, da sich das biomedizinische Model nicht mit der Person befasst, es lehnt jedoch nicht die Rolle struktureller, biomechanischer und funktioneller Störungen des Körpergewebes, als potenziell leistungsfähige Gefahren, ab, die das Wohlbefinden eines Individuums modulieren.
„Das biopsychosoziale Model ist eine breite Sichtweise, die die Krankheitsursache oder den Krankheitsverlauf auf die komplizierte, variable Wechselwirkung von biologischen Faktoren, psychologischen Faktoren und sozialen Faktoren zurückführt.
Das biopsychosoziale Modell steht dem biomedizinischen Model entgegen, das Krankheiten nur biologischen Faktoren oder körperlichen Anomalien zuschreibt.
Das Bio-psycho-soziale Denkmodel ist allumfassend, aber die Schmerzwissenschaften sind inzwischen auf dem Weg zu einem neuen bio-psycho-sozialen „neuroimmunologisch aktualisierten“ Denkmodel.
2. The Grand Poobah Pain Theory
Unter der von Butler und Moseley so genannten „Grand Poobah Pain Theory“ werden mehrere bestehende Paradigmen, allgemein anerkannte Lehrmeinungen und Modelvorstellungen über die Schmerzphänomene zusammengefasst. Dazu gehören:
- Das Psychologische Paradigma. (Das Zwiebel Modell von Loeser 1982).
- Das Angst-Vermeidungs-Modell (Vlaeyen and Linton 2000).
- Die Neurowissenschaftlich begründeten Paradigmen. Das „Model des reifen Organismus“ (Gifford 1998; Woolf et al. 1998). Neuromatrix (eg. Melzack 1999; Butler and Moseley 2017)
- Entwicklungsbiologische Paradigmen (Nesse and Williams 1996).
- Verkörperte Wahrnehmung.
Hier einige Aussagen, die die Grand Poobah Pain Theory auf den Punkt bringen:
- Nozizeption (eine Gefahrenmeldung) ist für Schmerz weder ausreichend noch notwendig.
- Schmerz ist ein Output (eine Reaktion des Gehirns), kein Input.
- Schmerz ist ein Gefühl.
- Schmerz ist ein unangenehmes Gefühl, das irgendwo im Körper zu spüren ist und uns dazu drängt diesen Teil des Körpers zu schützen.
- Schmerz ist einer von vielen Schutzmechanismen. Andere umfassen das motorische System, das Immunsystem, das kognitive System, das endokrine System und autonome Nervensystem.
- Schmerz ist der einzige Schutzmechanismus dessen, wir uns immer bewusst sind und der uns dazu zwingt etwas zu tun, um das schmerzhafte Gebiet zu schützen.
- Schmerz wird durch, für die Person, glaubwürdige Beweise (Input) aufgebaut um uns zu schützen.
Sowohl das "Biopsychosoziale Model von Schmerz" als auch die "Grand Poobah Pain Theory" sind echte "Game Changer" in der Behandlung von chronischen und chronisch immer wiederkehrenden Schmerzen.