Kommt Liebe aus den Genitalien?
Geschrieben von: Markus Müller, Physiotherapeut, Manualtherapeut OMT
Kommt Wut von Deiner Faust? Kommt die Lust von Deinen Genitalien? Kommt Liebe aus dem Herzen? Kommt der Schmerz wirklich von Deinem Rücken? Die Antwort auf alle oben genannten Fragen lautet "Nein".
Schmerz ist ein bisschen wie Wut, Liebe und Lust - es ist eine bewusste Erfahrung, die von Deinem Gehirn und nicht von Deinem Rücken aufgebaut wird. Sicher, es berücksichtigt die Informationen, die der Rücken liefert, aber letztendlich ist das Gehirn der Boss. So wie Du nicht auf Deine Genitalien wegen Deiner Liebesprobleme oder auf Deine Faust wegen Deiner Wutprobleme schauen würdest, kann auch Dein Rücken nur begrenzte Antworten auf Deine Schmerzprobleme geben. Du musst überlegen, was in Deinem Gehirn vor sich geht, um die beste Schmerzbehandlung zu erhalten.
2020 führte die IASP (international association for the study of pain) eine überarbeitete Definition von Schmerzen ein.
Die Definition von Schmerz lautet aktuell
„Schmerz ist eine unangenehme sensorische und emotionale Erfahrung, die mit tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschäden verbunden oder ihr ähnlich ist“.
Diese Definition wurde durch das Hinzufügen von sechs Schlüsselnotizen um einen weiteren wertvollen Kontext erweitert.
6 Grundsätze bei Schmerz
1. Schmerz ist immer eine persönliche Erfahrung, die in unterschiedlichem Maße von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren beeinflusst wird.
2. Schmerz und Nozizeption sind verschiedene Phänomene. Schmerz kann nicht allein aus der Aktivität in sensorischen Neuronen (Nerven) abgeleitet werden. (Nozizeption = die Wahrnehmung von Gefahrenmeldungen)
3. Durch ihre Lebenserfahrung lernen Menschen das Konzept des Schmerzes.
4. Der Bericht einer Person über eine Erfahrung als Schmerz sollte respektiert werden.
5. Obwohl Schmerz normalerweise eine adaptive Rolle spielt, kann er negative Auswirkungen auf die Funktion, sowie das soziale und psychische Wohlbefinden haben.
6. Die verbale Beschreibung ist nur eines von mehreren Verhaltensweisen um Schmerz auszudrücken. Die Unfähigkeit zu kommunizieren negiert nicht die Möglichkeit, dass ein Mensch oder ein nicht menschliches Tier schmerzen hat.
Wie Du inzwischen weißt: Schmerz ist ein emergenter Prozess. Diese Erkenntnis und das Bio-psychosoziale Modell findet sich in der Definition von Schmerz wieder.
Mehr zum Bio-psychosozialen Modell demnächst.